DIE ANDERE SEITE

2017

Bildobjekte


image objects

DIE ANDERE SEITE…

die andere Seite… entstand 2017 im direkten Anschluss an meine elfwöchige Reise durch Australien – eine Mischung aus Recherche Reise und Artist Residency, die im Rahmen der Ausstellung in der Newcastle Art Gallery begann, bei welcher meine Arbeit Geborgenheit gezeigt wurde. Diese Reise war nicht nur geografisch eine Bewegung ans andere Ende der Welt, sondern auch eine bewusste Unterbrechung meines gewohnten Lebens- und Arbeitskontextes. Ziel war es, durch den Abstand, die Fremdheit und die Reibung mit neuen Umgebungen künstlerische Impulse zu gewinnen – nicht im Sinne einer linearen Inspirationssuche, sondern als Erfahrungsraum für innere und äußere Prozesse.

Die Arbeit versteht sich als subjektiver, künstlerischer Reisebericht – nicht dokumentarisch, sondern fragmentarisch, intuitiv und vielschichtig. Im Zentrum stehen Fotografien, die ich während der Reise mit dem Mobiltelefon aufgenommen habe: alltägliche, beiläufige Bilder, die visuelle Eindrücke, Beobachtungen und Stimmungen festhalten. Diese Fotografien wurden im Nachhinein mit Textfragmenten bestickt – mit Sätzen, Zitaten, Gedanken, Fragen, Gesprächsfetzen. Grundlage dafür war mein Reisetagebuch, das ich konsequent geführt habe – neben der Kamera mein wichtigstes Werkzeug unterwegs.

Die Kombination von digitaler Fotografie und Nadelmalerei ist dabei kein formaler Kontrast, sondern eine bewusste Überlagerung zweier Wahrnehmungsebenen: Die fotografischen Bilder stehen für das Sichtbare, das Dokumentarische – das Außen. Die eingestickten Texte hingegen wirken wie Störungen, Nachbilder, Echo-Spuren – sie bringen das Innere, das Unausgesprochene, das Prozesshafte ins Bild.

Die Fäden sind farblich auf die Bildflächen abgestimmt, treten aber dennoch als irritierende, taktile Einschreibung hervor. Manches wirkt lesbar, anderes entzieht sich, bleibt rätselhaft oder fragmentiert. Gerade in dieser Uneindeutigkeit liegt der Kern der Arbeit: Die Reise war nicht nur Bewegung durch ein fremdes Land, sondern ein ständiges Wechselspiel zwischen Orientierung und Verunsicherung, zwischen Ankommen und distanziert bleiben.

Im Kontext meiner bisherigen Arbeiten markiert die andere Seite… eine Öffnung: Während frühere Werke wie 4_squares, 400_squares oder cropped vor allem durch formale Strukturen, textile Objekte und symbolische Verdichtung geprägt sind, rückt die andere Seite… die persönliche Erfahrung stärker in den Fokus – dabei bleibt sie bewusst auf der Ebene des Subjektiven, ohne vollständig ins Private abzutauchen.

Die Arbeit ist ein subjektiver Reisebericht, der sehr persönlich und ehrlich ist, dabei aber nicht als intime Offenbarung verstanden werden will. Vielmehr reflektiert sie das Spannungsfeld zwischen Außenwelt und Innenleben, zwischen Fremde und Vertrautheit, zwischen Sprache und Bild, Erinnerung und Gegenwart, äußerem Ereignis und innerer Resonanz.

So wird die andere Seite… zu einer vielschichtigen Verknüpfung von Reisetagebuch und textilem Erzählen – ein behutsamer Versuch, das Flüchtige und Unfassbare durch künstlerische Gestaltung spürbar zu machen, ohne es endgültig zu fassen oder einzufangen.

DIE ANDERE SEITE…

die andere Seite… was created in 2017 immediately following my eleven-week journey through Australia—a combination of research trip and artist residency that began in connection with an exhibition at the Newcastle Art Gallery, where my work Geborgenheit was shown. This journey was not only a geographical movement to the other side of the world but also a conscious interruption of my usual life and work routines. The aim was to gain artistic impulses through distance, unfamiliarity, and the friction of new environments and social contexts—not as a linear search for inspiration, but as an experiential space for inner and outer processes.

The work is conceived as a subjective artistic travelogue—fragmentary, intuitive, and multi-layered rather than documentary. At its core are photographs I took during the trip with my mobile phone: everyday, casual images capturing visual impressions, observations, and moods. These photographs were later embroidered with text fragments—sentences, quotes, thoughts, questions, snippets of conversation. The basis for this was my travel diary, which I kept diligently and which, alongside the camera, was my most important tool on the journey.

The combination of digital photography and needle painting is not a formal contrast but a deliberate layering of two perceptual levels: The photographic images represent the visible, the documentary—the external world. The embroidered texts act as disturbances, afterimages, echo traces—they bring the inner, the unspoken, the processual into view.

The threads are color-coordinated with the image surfaces, yet they emerge as tactile, disturbing inscriptions. Some texts are legible; others elude understanding, remain enigmatic or fragmented. It is precisely in this ambiguity that the core of the work lies: The journey was not just a movement through a foreign land but a constant interplay between orientation and uncertainty, between arriving and maintaining distance.

In the context of my previous works, die andere Seite… marks an opening: Whereas earlier pieces such as 4_squares, 400_squares, and cropped are primarily shaped by formal structures, textile objects, and symbolic condensation, die andere Seite… shifts the focus more strongly toward personal experience—while consciously remaining on the level of the subjective without fully delving into the private.

The work is a subjective travelogue that is very personal and honest but does not intend to be an intimate confession. Rather, it reflects the tension between outer world and inner life, between foreignness and familiarity, between language and image, memory and presence, external event and internal resonance.

Thus, die andere Seite… becomes a multi-layered fusion of travel diary and textile storytelling—a careful attempt to make the fleeting and elusive tangible through artistic form, without ultimately fixing or capturing it.

pictures: © Chantal Bamgbala